Heute werfen wir einen Blick in die eine konkrete Strategieplanung einer deutschen Bank. Die Informationen stammen aus einem öffentlich zugänglichen Branchenmagazin. Dort kann man da so einiges lesen.
Mal wieder will man die Welt der Beratung revolutionieren und hat dabei natürlich nur die besten Absichten. Ich zitiere hier einige Passagen aus der Strategieplanung.
Ständig und immer wieder plant man neue Vertriebsstrategien und will das Rad neu erfinden.
Das eigentliche Ziel überrascht nicht wirklich, denn am Ende des Tages sollen mehr Produkte pro Kunde in den Büchern stehen.
Ich übersetze hier die sehr typischen und mir gut bekannten Redewendungen in eine verständlichere Sprache. Wenn man die Sätze richtig liest, dann kann man die dahinterliegende Absicht leicht erkennen.
Das neue Wunderheilmittel in unserer Beispielbank nennt sich „Kundenbeziehungsmanagement“, kurz „KBM“.
Ein Wort das sehr modern und hochtrabend klingt. Man „managt“ nun also die Beziehung zum Kunden.
Die bedauernswerten Berater dieser Bank jedenfalls haben sich diese neue Idee nicht ausgedacht und werden nun nichtsdestotrotz im „KBM“ geschult, gecoacht und ganz besonders beliebt: einem „Training-on-the-job“ ausgeliefert.
Heißt im Klartext:
Es sitzt einem den ganzen Tag ein „Coach“ im Nacken, der dem Berater nun erzählt, wie er sich seinen (teilweise langjährigen) Kunden gegenüber doch richtig zu verhalten hat. Es geht natürlich hauptsächlich um verkaufsförderndes Verhalten.
Die ersten Termine, die die Bank mit Ihren Kunden in dem neuen KBM-System durchführte, verliefen recht zeitintensiv.
Von bis zu 2 Stunden (!) ist die Rede! In dieser Phase soll es angeblich erst einmal nur um die Daten des Kunden geht.
Der Kunde soll hier sämtlich Daten, Wünsche, persönliche Verhältnisse offenlegen!
2 Stunden intensives Verhör!? Da frag ich mich: Welcher Kunde macht das mit???
Ich zitiere:
„Besonders erfreulich ist, dass es hierbei den Beratern gelingt, Wünsche und Ziele der Kunden in jedem Beratungsthema aufzunehmen. Diese Potenziale kompensieren den Aufwand, denn das KBM öffnet den Beratern viele Türen.“
Ich übersetze:
Der Zeitaufwand des „Verhörs“ rechnet sich letztendlich! Denn der Aufwand soll zu mehr Produktverkäufen führen (=Potenziale). Denn nur das bringt Geld ein.
Das ist noch nicht einmal zu verurteilen. Die Banken arbeiten im Provisionsberatungssystem. Sie müssen Geld verdienen, also müssen sie auch Produkte verkaufen.
Durch die detaillierten Kundendaten öffnet sich jedenfalls die Provisionstür sperrangelweit.
Auch der nächste Satz klingt zunächst wisschenschaftlich. Er lässt sich aber ebenso leicht entschlüsseln.
„Durch die gelungene Darstellung der Ist- und Soll-Vermögensstruktur der Kunden ist der Asset-Allocation-Ansatz sehr leicht zu vermitteln.“
In dieser „gelungenen Darstellung“ von Ist und Soll wird der Kunde sicherlich feststellen, dass er da noch viel Handlungsbedarf hat. Entweder er spart zu wenig oder auch völlig falsch.
„Asset Allocation“, also die Verteilung des Geldes in verschiedene Anlageklassen ist die logische Folge. Im Endeffekt kommt es zu einer gesteigerten „Cross Selling Quote“.
Cross Selling = Mehr Produkte pro Kunde.
Aber kann es wirklich sein, dass der aufgeklärte, auch kritische Kunde von heutzutage alles von sich preis geben will?
Es gibt heutzutage in der Anlageberatung rechtliche Voraussetzungen einer Beratung. Der Berater muss gewisse Kundenangaben einholen, bevor er in der Lage ist, eine Empfehlung zu geben. Im sogenannten „Basisprotokoll“ werden Informationen wie Wertpapiererfahrungen oder die finanzielle Situation abgefragt.Dieses Prozedere kann aber in ca. 10 Minuten abgeschlossen sein.
Was hier abläuft scheint eine totale und umfassende Durchleuchtung zu sein.
Ich zitiere:
„Die Bereitschaft, mehr als in der Vergangenheit von sich preiszugeben wird durch eine umfassende Dokumentation der jeweiligen Finanzsituation über alle vom Kunden genutzten Produkte deutlich gefördert. Dies entspricht der Forderung nach umfassender Transparenz.“
Diese „Forderung nach umfassender Transparenz“ versteht die Bank anscheinende völlig falsch!
Gefordert wird Transparenz in den Produkten und den Beratungsempfehlungen von der Bank!
Nicht die Transparenz des Kunden der Bank gegenüber!
Kunden werden ohnehin immer gläsernern durch die zunehmenden technischen Möglichkeiten.
Der nächste Satz für mich nun blanker Hohn:
„Hier findet sich eine kostenlose Beratung für jedermann – und nicht eine Honorarberatung für eine ausgewählte Klientel, die sich diese leisten kann oder möchte.“
Das Verhör mag kostenlos sein, nicht aber der dahinter stehende Zweck!
Die Produktlösungen für den Kunden sind alles andere als kostenlos!
Und dieses „Kunden-Beziehungsmanagement-Verhör“ kostet ebenso etwas:
Nämlich ihre privaten und intimen Informationen, die man eigentlich nicht jedem preisgeben möchte und schon gar nicht in der Datenbank einer Bank sehen will.
Den Angriff auf das System der Honorarberatung sehe ich gelassen. Ich werte es als gutes Zeichen, denn man nimmt in letzter Zeit die Honorarberatung immer mehr wahr. Anscheinend geht von ihr ein gewisses Bedrohungspotenzial aus.
Dies ist verständlich. Die Honorarberatung wird für die Provisionsberatung in Zukunft ein Problem werden.
Um so mehr kompetente Berater in diese Schiene wechseln, desto mehr Kunden werden die Vorteile überdeutlich erkennen.
Der Kunde zahlt nicht mehr, sondern weniger für die Beratung und hat zugleich eine bessere und umfangreichere Produktauswahl.
Dies gilt auch und insbesondere für Kunden mit „kleineren Vermögen“!
Aber zurück zur Strategie der Bank. Für die Umsetzung dieser neuen konkreten Vertriebsstrategie, braucht man natürlich die Berater, die sich nun für diese neue Idee wieder einmal begeistern müssen.
Im Artikel äußert man sogar ein gewisses Verständnis für die Berater:
„Es ist ein Widerspruch, wenn der Berater die Ziele und Wünsche des Kunden in den Vordergrund stellen und gleichzeitig eine bestimmte Stückzahl an Produkten verkaufen soll.“
Aha, das ist wirklich ein Widerspruch! In der Tat. Wahre Worte. Aber es geht weiter:
„Die Ziele müssen sich vielmehr an den Beratungsthemen und zugehörigen Bedarfsfeldern ausrichten.“
Aha! Da sind sie nun doch wieder, die Ziele. Und diesmal in allen Bedarfsfeldern.
Die konkreten Ziele für die Berater:
Jeder Berater hat das Ziel vier qualifizierte Termine pro Tag durchzuführen.
Das ganze wird natürlich durch „Aktivitätencontrolling“ controlled.
Und wehe dem, der pro „qualifizierten“ Termin, keine hohe „qualifizierte“ Cross Selling Quote erreicht.
Nächstes Zitat im Artikel:
„Ein entsprechendes Aktivitätencontrolling ist bereits eingerichtet und wird von den Führungskräften als Steuerungsinstrument eingesetzt.“
Ein Glück. Es kann also losgehen.
Wieder einmal wird Kundenorientierung mit effizienterem Verkaufen gleichgesetzt.
Grundsätzlich ist es normal, dass eine Bank oder eine Versicherung Produkte verkaufen muss, wenn diese von den Produktprovisionen leben muss. Das verurteile ich zunächst nicht.
Das ganz allerdings immer hochwissenschaftlich als „Kundenmanagement“ oder „Ganzheitliche Beratung“ zu verpacken ist für mich schlicht lächerlich und mittlerweile leicht zu durchschauen.
Für eine gute Beratung muss man selbstverständlich auch einige Dinge vom Kunden wissen.
Es ist allerdings keineswegs notwendig, dass man den Kunden von A-Z durchleuchtet.
Der Kunde entscheidet, wie viel er preisgeben möchte. Er wird die wichtigen Informationen auch bereitwillig weitergeben, wenn er das entsprechende Vertrauen hat.